Urmel aus dem Netz

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Urmel aus dem Netz


Die Gesichter des Internets: Avatare gelten als äußerst pflegeleichte Absatz-Pusher

 
Menschgewordene Götter geben dem Internet ein Gesicht

Sie heißen Lara Croft, Kira Day oder - Friede ihrer elektronischen Asche - Miss Boo und sind die Schnittstelle der realen und der virtuellen Welt. Sie existieren nur als Pixel, also Bildpunkte - und doch haben einige von ihnen, etwa E-Cyas und Kyoko Date, sogar schon eigene Platten veröffentlicht und werden in der Teenie-Presse wie Popstars gefeiert. Virtuelle Charaktere, sogenannte Avatare, geben den Neuen Medien ein Gesicht. Nach indischen Hindu-Religionen sind Avatare menschgewordene Götter. Eine ihrer Wiegen ist die baden-württembergische Filmakademie in Ludwigsburg. Seit Herbst 1998 entwickelt Professor Thomas Haegele in der "Abteilung für digitale Bildgestaltung" neue Verfahrensweisen zur Erzeugung von virtuellen Charakteren. Hier werden Software-Werkzeuge zur 3D-Animation, etwa sogenannte Blendshape- und Morphing-Mechanismen, erprobt und optimiert. Ziel ist, einen Prototyp zu erstellen, auf dessen Basis später kommerzielle Anwender wie etwa die ID-Media-Gruppe, die bereits den dunkelhaarigen Cyber-Beau E-Cyas erfolgreich vermarktete, ihre individuellen Avatare zuschneiden können - um sie im Internet, Film, Fernsehen, Computerspielen und Multimedia-Bereichen zu nutzen. Wie die ID-Gruppe kooperieren auch weitere Projektpartner aus der Region mit der Filmakademie.

Die Vorteile dieser neuen Generation von pflegeleichten Medien-Ikonen sind für Professor Haegele eindeutig: "Sie lösen sich nicht einfach auf, wie etwa eine Boygroup, und nehmen auch keine Drogen." Im Prinzip seien bereits "Micky Maus oder Winnetou schon virtuelle Popstars" gewesen.
Oberstes und schwierigstes Ziel der Animatoren bleiben die glaubwürdige Mimik und das diffizile Muskelspiel ihrer Kreaturen. Fotorealistische Darstellungen in Echtzeit übersteigen hier - noch - die Rechnerkapazitäten. Auch wenn vereinzelt schon davon fabuliert wird, virtuelle Pop-Konzerte mit Hologrammen auf der Bühne aufzuführen. Selbst Figuren, die aus mehreren hunderttausend sogenannter Polygone, Vielecke, zusammengesetzt sind, wirken im Bewegungsablauf immer noch eckig und ruckartig. Wie einst Mitte der 80er Jahre BBC-Moderator Max Headroom, dessen Darsteller einfach eine Gummimaske übergezogen bekam und nachträglich gepixelt wurde. An die Anfäge der Avatare erinnert noch heute der nervöse Popper Robert T-Online. Hier darf noch viel getrickst werden.
"Botschaften müssen immer eine gewisse Redundanz haben", weiß der Ludwigsburger Professor, dessen Büro ein menschliches Skelett, eine überdimensionale Ratte und der Star-Wars-Roboter C3PO schmücken. Denn, so Haegele, "ein Leben ohne redundante Elemente wäre schrecklich und überhaupt nicht mehr gemütlich".

Günter Flohrs/textpop







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Von den Tricks mit den "7X": So nennen die Coca-Cola-Manager ihr Geheimrepezt. Ganz so geheim ist es auch nicht. 1985 wäre es sogar beinahe vermurkst worden.

Der Yeti, das Bernsteinzimmer und der Schatz im Silbersee dürfen neidisch sein. Der Trick mit dem "bestgehütetsten Geheimnis der Welt" hat einen Bart, der seit 114 Jahren wächst und entsprechend lang ist; so lang, dass der Coca-Cola-Pressedienst in seinem Online-Newsletter Ende Februar schon freiwillig damit herausrückte. Nicht ohne darauf zu verweisen, dass King Elvis himself seinen Obstsalat mit Coke-Dressing angemacht haben soll.
In den Coca-Cola-Archiven von Atlanta will Buchautor Mark Pendergrast ("Für Gott, Vaterland und Coca-Cola", Heyne-Verlag/München) auf das Aufzeichnungs- und Rezeptbuch des Drogisten Dr. J. S. Pemberton gestoßen sein. Die "heilige Formel", von den ganz wenigen Eingeweihten im Konzern "7X" genannt, soll sich dort wie folgt lesen:

Zitrat-Koffein 1 Unze
Vanille-Extrakt 1 Unze
Essenzen (*) 2 1/2 Unzen
Koka-Flüssigextrakt 4 Unzen
Zitronensäure 3 Unzen
Limonellensaft 1 Quart
Zucker 30 lbs
Wasser 2 1/2 Gallonen
Karamel in ausreichender Menge

(*) zu den sieben Essenzen sollen im Originalrezept Orangen-, Limonen-, Muskatnuss-, Zimt-, Koriander- und Neroli-Öle gezählt haben sowie Alkohol. Der sogenannte "7X"-Anteil.

zu den Mengenangaben:
1 Unze = 28,35 Gramm
1 Quart = 1,136 Liter
1 lb (Pound) = 453,6 Gramm
1 Gallone = 3,78 Liter

1983 beschrieb William Poundstone in seinem Buch "Big Secrets" eine aktuellere Variante. Ihrzufolge benötigt man für eine Gallone Coca-Cola:

Zucker: 2400 Gramm
Karamel: 37 Gramm
Koffein: 3,1 Gramm
Phosphorsäure: 11 Gramm
Entkokainisiertes Kokablatt: 1,1 Gramm
Kolanüsse: 0,37 Gramm

Die Blätter und Nüsse müssen laut Poundstone in 22 Gramm 20-prozentigem Alkohol getränkt werden.
Dazu kommen Limonellensaft (30 Gramm), Glyzerin (19 Gramm) und Vanille-Extrakt (1,5 Gramm). Zu den 7X-Essenzen hält der "Big Secrets"-Autor konkrete Mengenangaben parat: 0,47 Gramm Orangenöl, 0,88 Gramm Limonenöl, 0,07 Gramm Muskatöl, 0,2 Gramm Kassia-Öl (ein chinesisches Zimtöl), 0,27 Gramm Limonellenöl sowie jeweils "Spuren" von Koriander- und Nerioliöl. Poundstone hält es für möglich, dass auch Lavendelöl in der 7X-Formel enthalten sein könne.

 
 
1985 änderte der gebürtige Kubaner Roberto Goizueta, seit 1981 Chairman und Chief Executive Officer (CEO) von Coca-Cola, die Rezeptur. An ihr wurde seit Ende der 70er Jahre gearbeitet, seit dem Pepsi-Siegeszug. Am 23.4.'85 wurde "New Coke" eingeführt. Spottete man zuvor noch in TV-Spots über das zu süße Pepsi-Konkurrenzprodukt, boten die Südstaatler jetzt eine noch süßere Cola an, als "weicher, runder, herzhafter und harmonischer" verkauft wurde. Das Debakel war perfekt, als bekannt wurde, dass die alte Coke - durchaus eine Art Nationalheiligtum - gleichzeitig aus dem Verkehr gezogen werden soll. Bis zu tausend Anrufer täglich sollen seinerzeit bei der Coke-Hotline protestiert haben.
Kennzeichnend für die Entwicklung war schließlich eine Anekdote, die der US-Wirtschaftsjournalist David Greising in der Goizueta-Biografie "Die Welt soll Coca-Cola trinken" (1999 erschienen beim Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech) beschreibt:
"Nach der Tagung gingen die beiden Topmanager von Coke mit ihren Frauen in ein winziges italienisches Restaurant oberhalb von Monaco mit Blick auf das Mittelmeer. Der 70-jährige Besitzer kam an ihren Tisch, in der Hand einen mit einem samtenen Tuch bedeckten Weinkorb. Er schlug das Tuch mit einem großartigen Schwung zurück, und zum Vorschein kam eine Flasche Coke. "Das ist die Original-Coca-Cola", verkündetet er stolz. Goizueta blickte Keough an, und beide durchfuhr der gleiche Gedanke: Die Menschen - selbst in diesem entlegenen Außenposten - hatten eine Anhänglichkeit an die gute alte Coke, die unerschütterlich war."
Keine drei Monate hielten die Erneuerer durch. Am 11.7. des Jahres folgte, rechtzeitig vor dem 100-jährigen Bestehen im Jahr 1986, - wieder - die "Coca-Cola Classic". "Uns ist jeder Rückzug recht, wenn er uns nur rasch zu unseren besten Kunden zurückbringt und ihnen das Produkt wiedergibt, das sie lieben", äußerte sich Coke-Vize Donald Keough in der reumütigen Pressekonferenz. Nur Goizueta behielt das Büßergewand nicht allzu lange an. Die Frage eines Reporters, ob er "New Coke" auch mit den mittlerweile erlangten Kenntnissen durchgezogen hätte, beschied der Mann aus Havanna in seiner Heimatsprache: "Si mi abuela tuviera ruedas seria bicicleta" - "wenn meine Großmutter Räder hätte, wäre sie ein Fahrrad."

Günter Flohrs/textpop







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Die Evolution der Coca-Cola-Slogans

1929-1934 "köstlich - erfrischend"

1935 Durst kennt keine Jahreszeit

1955 Mach' mal Pause - trink Coca-Cola

1962 … auch eine!

1968 Besser geht's mit Coca-Cola, mach' mal Pause mit Coke

1970 Frischwärts

1974 Trink Coca-Cola … das erfrischt richtig!

1976 Coke macht mehr draus

1981 Zeit für Coca-Cola

1985 Coca-Cola is it!

1989 You can't beat the feeling!

1993 Always Coca-Cola

2000 Coca-Cola. Enjoy