Drum'n'Bass, Desperados und die Zukunft von Disco: Wie das "Le Fonque" zum Stuttgarter Vorzeigeclub reifte und als Paradebeispiel intelligenter Programmgestaltung funktioniert Was es mit dem Kultfaktor des "Tannenzäpfle" auf sich hat? Uwe Wagner, 34, vermutet die Wurzeln in der Tübinger Studentenszene. Dort soll man schon vor über zehn Jahren das Pils mit dem Schwarzwaldmädel entdeckt haben. "Nostalgisches Logo, relativ neutraler Geschmack, günstig im Einkauf" - drei Faktoren, glaubt Wagner, die reichen, um das Erzeugnis der Badischen Staatsbrauerei wie von selbst in Szene-Clubs von Freiburg bis München zu katapultieren. Seitdem wundern sich die Staatsbrauer im idyllischen Rothaus über zweistellige Zuwachszahlen ohne jeglichen Werbeaufwand. Zuletzt waren wieder ein paar Kölner DJs in Wagners "Le Fonque", die sich begeistert zeigten - und gleich ein paar Kisten Schwarzwald-Pils ins Rheinland exportierten. Man bringt ja etwas Hübsches mit, wenn man in der Fremde war. Raben, Romanhelden und träumende Roboter
ist kein Techno, auch nicht direkt House, selten HipHop, sondern eher von Allem etwas und im Zweifelsfall die Speerspitze der Sound-Bewegung, die hier präsentiert wird. Als das "Le Fonque" Anfang letzten Oktober öffnete, trugen die Club-Abende noch so lustige Parolen wie "Träumen Roboter von elektrischen Schafen?". Jener Science-Fiction-Klassiker von Philip K. Dick also, der die Vorlage zu "Blade Runner" bot, dem Kinoereignis der 80er Jahre schlechthin. Stilmix as Stilmix can Mittlerweile sind die programmatischen Losungen etwas reduzierter und offener gehalten. Ab September gestaltet sich etwa der Mittwoch "deepdown": Plattform für die Akteure des örtlichen "Pauls Musique"-Label soll er sein, eine junge, kleine und aufstrebende Plattenfirma, die wiederum Stuttgarts Clubkneipe Nummer Eins, der "Pauls Boutique" angeschlossen ist. Berührungsängste mit der Konkurrenz: Fehlanzeige. Donnerstags ruft der "Blowshop" in den Clubkeller unterm Wilhelmsplatz, in dem vor Allem die britischen Geheimtipps und Helden der Szene gastieren - "Dope on Plastic" etwa, "Up, Bustle and Out", "Mr. Scruff" und weitere Vertreter jenes Genres, für das Musikjournalisten sich Begriffe wie "Big Beat", "2step" oder auch "New Skool Elektronika" ausdenken. Hauptsache, es rockt und rumpelt auf der Tanzfläche, abgestimmt wird sowieso mit den Füßen. Signifikant auch das Freitags-Motto: "Eclectic Electric" vereint wieder alle Spielarten von minimaler House Music bis subtil groovendem Fusion-Funk, was wiederum drei verschiedene Sub-Partyunternehmer garantieren. Klassische Fremdveranstalter, wenn man so will, mit klingenden Namen wie "Soundtology", "Klangforschung Süd" und "d-box" (www.dboxxx.de), bei denen auch DJs, die sich "Brennende Discokugel" nennen, zum Zug kommen. Noch eklektischer wird's gar am heiligen Samstag: Der "Volt Club" spannt, aus den Wurzeln des Jazz wachsend, den Bogen von Afro-Beat über die neuesten Clubsounds bis hin zu Zouk, Zydeco und noch spezielleren Gewächsen. Alexander Köpf, verantwortlich für DJ-Bookings und die komplette Programmgestaltung im "Le Fonque", definiert Jazz in diesem Zusammenhang als "potenziellen Spirit der Open Mindness." Durchaus legt der ausgebildete Journalist Wert auf "aktuelle Tanzmusik jenseits kurzlebiger Hypes". Hochkarätige Acts wie "Smith & Mighty", "Jazzanova" oder auch das "Xaver Fischer Trio" wussten die In-Crowd bereits ausgiebigst zu pleasen. Adults only "Wir wollen Clubmusik für Erwachsene anbieten", betonen die Macher immer wieder. Es sind meist die vor allem musikalisch aufgeschlossenen Mittzwanziger, die den detailverliebt eingerichteten Gewölbekeller frequentieren, und so gut wie keine Rave-Kids oder gar Ballermann-Nachwuchs. Auf der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern fand Inhaber Wagner über den Getränkefachgroßhändler seiner Wahl bald zur Binding-Brauerei in Frankfurt am Main. Die hatte sich bislang auch vornehm zurückgehalten mit Marketing-Auftritten in der Schwabenmetropole, der nächste szenebekannte Partner sitzt mit dem multioptionalen Freizeitpark "Dick-Areal" im benachbarten Esslingen. Bindings Black Lager, das Ice-Bier und das in Lizenz produzierte, tschechische "Krusovice"-Pils finden sich so auf der Getränkekarte der Gewölbe-Disco - und freilich jenes Bier, das vor, während und nach jeder Harald-Schmidt-Show "so schön hat geprickelt in mein' Bauchnabel", das Schöfferhofer-Weizen. Cross-Marketing mit Red Bull
"Viele unserer Stammgäste sind selbst Musiker oder DJs", weiß Inhaber Wagner; es seien in erster Linie jene über 20- und über 30-Jährigen, die fern vom Massengeschmack ihren Lebensstil pflegen. Generell "sucht und gestaltet sich unser Publikum noch", glaubt er zu beobachten. Auf einen beliebigen Trend aufzuspringen, etwa jenen der After-Work-Clubs und -Partys, sei seine Sache nicht. Überbezahlte Übersee-DJs, sekundiert Programmchef Köpf, gingen "als Zuckerl okay" - vom maßlos übersteigerten Stargast-Overkill der letzten Jahre entfernen sich derzeit so gut wie alle halbwegs innovativen Veranstalter in diesem Bereich. Lieber guckt man sich anderswo Clubs aus, die auf der gleichen Wellenlänge funken. Etwa das Düsseldorfer "Unique" oder das "Boogaloo" im bayerischen Pfarrkirchen, zwei Institutionen, mit denen das Le-Fonque-Trio einen vortrefflich gedeihenden DJ-Austausch pflegt. Neben der Wiener Musik- und Label-Szene hat man auch Hamburgs "Mojo"-Club, einst Vorreiter der etwas freigeistigeren Clubmusik-Kultur, im Visier. Günter Flohrs/textpop
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